Bildkarten als Workshop-Tool: Die Caleidoscopio-Cards
Ende 2015 hatte ich Gelegenheit, an einem Workshop zum Thema Innovationen teilzunehmen. Dort wurde die Innovationstoolbox von Kessels & Smit vorgestellt. Ich bin über Frauke Schmidt-Peter darauf aufmerksam geworden, die ich aus dem betahaus-Kontext schon länger kenne und die für K&S als Trainerin und Coach arbeitet. Diese Toolbox wäre eigentlich einen eigenen Bericht wert, aber am meisten haben mich die visuellen Methoden von Frauke beeindruckt. Deswegen hier eine kurze Abhandlung über ihre Bildkarten: die Caleidoscopio-Cards.
Mit Bildkarten neue Assoziationen auslösen
Bislang habe ich in meinen Workshops keine Fotokarten eingesetzt. Was vielleicht auch daran liegt, dass ich keine Erfahrung damit hatte und es auch selbst nie ausprobiert habe. Aber seit dem Workshop zum Launch der Innovationstoolbox ist mein Methodenkoffer um ein visuelles Werkzeug reicher. Das fing schon in der Vorstellungsrunde an. Ich bin ja kein Freund klassischer Kennenlernrunden, in denen man reihum sagt, wer man ist und was man macht und so weiter. So ein Workshop-Start ist alles andere als dynamisch und verlängert eher das Morgengähnen.
“Stelle Dich vor und suche dazu ein Bild aus, das beschreibt, was Du gerne machst.” Die Tatsache, dass die Teilnehmer sich anhand eines Bildes vorstellen sollten, hat bei mir ganz andere Gedanken ausgelöst und mich vom klassischen Intro-Text weggebracht, den ich normalerweise in solchen Runden von mir gebe. Mit einem Bild konnte ich quasi über Bande spielen. Ich habe etwas über mich preisgegeben und konnte mich dabei auf das Bild beziehen, eine Verknüpfung herstellen. Mir ist es spürbar leichter gefallen, etwas über mich zu sagen – wohl weil ich etwas in der Hand hatte, auf das ich mich beziehen konnte. Im konkreten Fall waren das die Buntstifte, die mich erst auf die Idee gebracht haben, etwas über meine Leidenschaft für Textverdunkelungen zu sagen.
Bilder als Diskursvorlage: Motive lenken Gedanken
Wichtiger jedoch finde ich, dass die Bilder in der Lage sind, Gedanken und Gefühle zu leiten. Ausschließlich gedanklich hergeleitete Antworten setzen darauf, dass ich weiß, was ich sagen will: erst Gedanken machen, dann Gedanken äußern. Beim Arbeiten mit Bildern kann ich mich von den Fotos leiten lassen. Sie wecken in mir Gefühle oder lösen Assoziationen aus. Ich verknüpfe die Motive mit meinen Stimmungen und Meinungen oder einer Frage, die mich beschäftigt.
Die Bilder sind wie ein Fenster in die eigene Persönlichkeit und den eigenen Erfahrungsschatz. Man sieht ein Motiv – und zugleich schaut man durch das Bild hindurch in sich selbst und erkennt Aspekte, die zur eigenen Biographie oder zu einer schwierigen Situation im aktuellen Projekt passen.
Beispiel Vorstellungsrunde: Man lässt jeden Teilnehmer zwei Bilder aussuchen: eines, das ausdrückt, wie man ist – und eines, das ausdrückt, wie man auf keinen Fall ist. Spätestens auf die zweite Frage hätte ich ohne visuelle Stütze Probleme gehabt, eine Antwort zu finden. Aber zum Glück lagen da ein paar Motive, die es mir leicht gemacht haben etwas zu entdecken, das nicht meiner Persönlichkeit entspricht. Etwas, das ich in sonstigen Vorstellungsrunden bestimmt nicht gesagt hätte.
60 Bildkarten für den Einsatz in Trainings, Coachings und Workshops
Das Set besteht aus 60 Karten im Format 10×15 cm, die alle von den Autorinnen selbst fotografiert wurden. Ich verwende die 2015 erschienene zweite Ausgabe. Und die Motive sind nicht nur schön, sondern auch tiefgehend und in einer guten Durchmischung von Menschen, Gegenständen, Landschaften. Alles Motive, die etwas auslösen, bei dem einen dies, bei der anderen jenes. Die Karten lassen sich nicht nur in Vorstellungsrunden einsetzen, sondern auch für Feedbacks, Kreativitätsrunden oder in der Teamentwicklung. Vorschläge für die verschiedenen Einsatzbereiche machen die Autorinnen in einem Booklet, das dem Kartenset beiliegt.
Ein Thema mit Persönlichem anreichern
Wenn es beispielsweise darum geht Lösungen zu finden, um die Kooperation im Team zu verbessern, höre ich in Workshops häufig Sätze wie “Wir müssen die Zusammenarbeit transparenter machen“. Es wird auf einer reinen Sachebene diskutiert. Gerade wenn es aber darum geht, sich als Mitwirkender in einem Projekt selbst zu engagieren, Verantwortung zu übernehmen, so dass sich etwas verändert, dann ist es sinnvoll, die Persönlichkeit der Akteure mitzudenken.
Es ist ein großer Unterschied, ob in einem Workshop die Frage bearbeitet wird “Wie können wir besser zusammenarbeiten?” – oder ob ich als Moderator die Arbeitsfrage persönlicher adressiere: “Was kann ich persönlich dafür tun, damit die Zusammenarbeit im Team besser wird?” Eine abstrakte Fragestellung zu einer persönlichen Fragestellung zu machen, steigert die Motivation, weil sie von einer “Man müsste mal”-Sachebene auf eine persönliche Ich-Ebene wechselt. Und diese Frage indirekt über eine Bildauswahl zu beantworten, ist – verglichen mit einer rein verbalen Antwort – ein sehr smarter Weg: “Suche ein Bild, das für Dich persönlich ausdrückt, welchen Beitrag Du dazu leisten kannst, die Zusammenarbeit im Team zu verbessern.” Ähnlich wie beim Bauen mit Lego halte ich mich dabei aber an den Grundsatz, nichts in die Bilder der anderen hinein zu interpretieren, nach dem Motto: Du hast bestimmt das Bild ausgewählt, weil Du …
Kritisches Feedback abmildern oder auf neue Gedanken kommen
Offene Worte sind grundsätzlich gut, aber manchmal möchte man eben auch nicht direkt mit der Tür ins Haus fallen. Manch einem fällt es vielleicht sogar extrem schwer, Kritik zu äußern ohne dabei persönlich zu werden. “Wähle ein Bild, das Deine Meinung zu dieser Idee am besten illustriert.” Mit so einer Aufgabe spielt man über Bande. Teilnehmer können über die Beschreibung des Bildes etwas kritisieren, ohne den Gegenüber direkt anzugreifen. Das kann besonders in sensiblen Workshop-Konstellationen eine gute Hilfe sein.
Für Innovationsworkshops hatte Jörg an anderer Stelle bereits den Context-Combinator vorgestellt. Diese Fotokarten können zusätzlich helfen, Workshop-Teilnehmer auf frische Gedanken zu bringen. Entweder legt man die Motive aus und hofft darauf, dass dem Betrachter beim Anblick eines Motivs die kreative Muse küsst. Oder man teilt als Moderator willkürlich eine oder mehrere Bildkarten aus und fragt: “Was sagt mir diese Karte zum Thema?” Oder “Welche neue Perspektive gibt mir dieses Bild für meine ersten Konzeptideen?”
Mein Fazit: Mehr mit Bildern arbeiten
Mir hat dieser Einblick in die Nutzung von Fotokarten sehr geholfen. Die Arbeit mit den Motiven lässt sich spontan und ohne großen Zeitaufwand auch mal zwischendurch in Workshops einsetzen, eben weil es so ein niedrigschwelliger Zugang ist, der sich eher an die Persönlichkeit der Teilnehmer richtet und nicht ausschließlich an ihr Fachwissen. Ein weiterer gefühlter Vorteil: Anders als in den Augen mancher Auftraggeber “abgefahrene Workshop-Tools” wie Lego oder Übungen aus dem Impro-Theater, ist die Arbeit mit Bildern und Foto-Sets zumeist nicht völlig fremd.
Ich kann jedem, der regelmäßig Workshops moderiert, dieses optisch sehr ansprechende Kartenset nur empfehlen. Die Caleidoscopio-Cards kann man direkt bei Kessel & Smit kaufen, oder über Amazon bestellen. Und ich freue mich über Eure Tipps und Erfahrungen mit dem Einsatz von Foto- und Bildersets in Workshops.